AFTERWARDS    

2019
> CRISS CROSS / Sebastien de Ganay / Raffaella della Olga
> Curated by Jürgen Tabor / Gil Yefman, Kibbutz Buchenwald
Gerold Tusch / appassionato-dolce-con spirito
> Gudrun Kampl / Schwarzes Gold
> Literal / Robert Barry, Julius Deutschbauer, Monika Piorkowska, Jana Sterbak, Peter Weibel, Lawrence Weiner

2018
> Matthias Herrmann Textpieces 96-98
Konkret Frau / Curated by Gerald Matt
> Masken
Tomasz Kulka / Das Ding
> Natalia LL

2017
> Renate Bertlmann
#It´s You too / Renate Bertlmann
> Anouk Lamm Anouk / I miss the place where I am from
> EASE / Robert Barry / Günther Förg / Tony Oursler / Keith Sonnier
> Artissima / VIVACE with Renate Bertlmann, Natalia LL and Jana Sterbak
> Curated by Eva Fabbris / LIVE END DREAM NO
> everybody anybody / group show
> liquid democracy / Monika Piorkowska, Curated by Angela Stief
> KeramiK Curated by Dietgard Grimmer with Jessica Lajard Barbara Reisinger Jeanne Susplugas Elmar Trenkwalder Gerold Tusch

2016
> Sébastien de Ganay / Non Places
> Clemens Wolf / Grounded
> Curated by / Michel Blancsubé / I´ve decided to be happy because it´s good for one´s health / Jana Sterbak
> Olga Georgieva / Looking for score
> Gudrun Kampl / Ornament oder Verbrechen
> Dieter Roth / aus einer Sammlung Exil, Selbstbildnis, Speedy-Drawing, Taschenzimmer
> VIVACE / Renate Bertlmann, Gloria Friedmann, Natalia LL, Jana Sterbak

2015
> Curated by / Myriam Ben Salah, Like The Deserts Miss The Real, Sarah Abu Abdallah, Abdullah Al Mutairi, Marwa Arsanios , Gcc, Raja’a Khalid
> Larbi Cherkaoui
> Julius Deutschbauer Klaus Pobitzer / Habs-Burgerstand, Ein Prä-Resümee
> Ilse Haider / le circuit heroesque
> Matthias Herrmann / On Photography
> Verortungen / Alyce Aycock, Peter Hopkins, Tania Kitchell, Ken Lum, Paul Morrison , Georges Rousse, Michaela Spiegel, Clemens Wolf
> Gudrun Kampl / Value Love Word Cell
> Curated by / Peter Stastny / Good NIght, Mister Procrustes / Francis Alÿs, Zipora Fried, Jim Shaw, Katrin Sigurdardottir, Kiki Smith, Jana Sterbak, Jeanne Susplugas

BEFORE

VIVACE
Renate Bertlmann
Gloria Friedmann
Natalia LL
Jana Sterbak

Opening 10.11.2015, 19.00
Exhibition 11.11.2015 - 26.02.2016

Renate Bertlmann, Kaktus-Installation, 1999, Objekt Installation Foto, approx. 200 x 60 x 80 cm, © Renate Bertlmann

Natalia LL, Post Consumer Art, 1975, photographs on baryta paper, black and white, 8 pieces, 47 x 57 cm, #5 + 1AP
 
Die in der Ausstellung Vivace in der Galerie Steinek präsentierten Arbeiten von vier internationalen weiblichen Künstlerinnen verbindet die Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper, steht im Kontext mit Debatten um Feminismus und weiblicher Identität und bildet eine Folie bzw. einen Ausgangs- und Reibungspunkt für das Werk jüngerer KünstlerInnen. Der Titel der Ausstellung Vicace bezieht sich einerseits auf die musikalische Tempoangabe vivace, welche in diesem Kontext lebendig, bzw. lebhaft bedeutet, andererseits auf den französischen Begriff plante vivace, Pflanzen, die auch unter widrigen Umständen überleben, und bietet so zwei mögliche assoziative Beschreibungen für das Werk der ausgestellten Künstlerinnen.
 
Renate Bertlmanns (* 1943 Wien/A) künstlerisches Œuvre, das eine Vielzahl unterschiedlicher Medien wie Zeichnung, Fotografie, Objekt, Installation, Performance und Film umfasst, wird im Moment einer kunsthistorischen Neubewertung unterzogen. Wie ihre aktuelle Beteiligung an der Ausstellung The World Goes Pop in der Tate Modern in London zeigt, wird ihr nunmehr über mehr als 40 Jahre entwickeltes Werk unter unterschiedlichen Kriterien international neu präsentiert und durchleuchtet. So lässt sich z.B. Bertlmanns Werk mit einer Gruppe von weiblichen Künstlerinnen wie Judith Bernstein, Lee Lozano, Anita Steckel, Betty Tomkins u.a. in Verbindung bringen, die sich Anfang der 1970er Jahre verstärkt der Darstellung, Ironisierung und Kritik des Phallozentrismus der westlichen Gesellschaft gewidmet haben. In der Ausstellung zeigt die Künstlerin ihre Kaktusinstallation aus dem Jahr 1999 als ein Beispiel für die Fragilität, Aufgeblasenheit und Gefährdung männlicher, phallischer Identität in der Kombination von mit Luft gefüllten doppelten Präservativen und den spitzen Stacheln des Kaktus. Die Serie der Zeichnungen von 1987 zeigt eine gänzlich andere Werkgruppe, die bereits Anfang der 1970er Jahre ihren Ausgangspunkt hatte und sich mit weiblichen und männlichen Körperformen in einer abstrakteren Form auseinandersetzt.

In Gloria Friedmanns (* 1950 Kronach/D) Serie von Farbfotografien mit dem Titel Selbst hingegen geht es um eine Auslotung weiblicher Identität in einem von der Künstlerin inszenierten Erfahrungsraum, einer Bühne der Selbstdarstellung und -reflexion. Die Räume, welche die Künstlerin abbildet, sind karg und nur mit ein paar Requisiten gefüllt. Mit diesen interagiert die Künstlerin – präsentiert und verbirgt sich dabei gleichzeitig und nimmt diese Selbstinszenierungen mittels Selbstauslöser auf. Die so entstandenen s/w-Fotografien sind Ausgangspunkt für einen weiteren Arbeitsschritt, bei dem die Fotos koloriert werden. So schafft sie Selbstportraits in der poppigen Ästhetik der 1970er Jahre. In diesen „Körperfigurationen“ markiert die Künstlerin die Behauptung und Inanspruchnahme eines eigenen Raums weiblicher Selbsterfahrung.

Die polnische Künstlerin Natalia Lach-Lachowicz nahm in den 1970er Jahren den Künstlernamen Natalia LL (* 1937 Żywiec/P) an und reiht sich so in eine Tradition von weiblichen Künstlerinnen ein, die in dieser Zeit mit Identität in einer spielerischen Weise umgingen – zu erwähnen wären hier z.B. Waltraud Stockinger (VALIE EXPORT), Lynn Hershman (Roberta Breitmore) oder Adrian Piper (The Mythic Being). Die durch die künstliche Identität gewonnene Freiheit des künstlerischen Ausdrucks ermöglichte es diesen Künstlerinnen, Fragen nach (Geschlechter-)Identität und gesellschaftlichen Rollenverteilungen zu verhandeln. Natalia LL, die ihre Arbeit im Umfeld der aktiven Szene der Konzeptkunst in Wrozlaw entwickelte, geht es nach eigenen Aussagen vorwiegend um das „Aufzeichnen gewöhnlicher und trivialer Ereignisse, wie Essen, Schlafen, Kopulation, Ausruhen und Sprechen etc.“ Trotzdem wurde ihre Arbeiten, wie z.B. die in der Ausstellung gezeigte Serie von s/w-Fotografien Post Consumer Art (1975) immer vor dem Hintergrund erotischer und feministischer Kunst dieser Zeit diskutiert und entweder als Darstellung selbstbestimmten weiblichen Begehrens oder als Kritik der pornographischen Konsumkultur interpretiert.

Eine andere buchstäblichere Form den Körper und sein Fleisch zu zeigen, verfolgt die Künstlerin Jana Sterbak (* 1955 Prag/CZ) in ihrem Objekt und der Farbfotografie Vanitas: Flesh Dress for an Albino Anorectic oder gängiger The Meat Dress aus dem Jahr 1987. In der ursprünglichen Präsentation wurden zusammengenähte Fleischstücke über einer Kleiderpuppe gezeigt und während der Ausstellungsdauer dem natürlichen Prozess der Alterung überlassen. Das Werk löste eine kontroversiell geführte Debatte über die Zulässigkeit der Verwendung von (teuren) Lebensmittel für Kunstwerke aus, behandelt aber in seiner ursprünglichen Intention das in der Kunstgeschichte über Jahrhunderte dargestellte Thema der Vergänglichkeit und Hinfälligkeit des Fleischlichen und des Lebens. Eine ähnliche Strategie wie in The Meat Dress verfolgt die Künstlerin in The Generic Man (1987/2013), indem sie den Körper eines „gewöhnlichen“ Mannes durch den in den Nacken wie eintätowiert erscheinenden Strichcode zur Ware werden lässt. Fragen von Gendertausch und Rollenzuschreibungen verhandelt sie in ihrem Projekt Distraction (1992), in welchem eine Frau ein zartes Hemd mit Männerhaaren trägt und ein weiteres Kleidungsstück durch die zusammengenähten Arme den Aktionsradius der Benutzerin einschränkt. Beide Textilobjekte werden in einer Vitrine präsentiert und sind durch einen begleitenden Text in den Kontext einer Narration eingebunden, in welcher beschrieben wird, wie zwei Paare ein Restaurant besuchen und eine der Frauen von ihrem Partner gefüttert werden muss, da sie ja selbst ihre Hände nicht benutzen kann. Kleidung, ein zentrales Thema in Jana Sterbaks Arbeit, wird so als Normierungs- und Regulierungsmaschinerie erfahrbar gemacht. Hemma Schmutz, 2015
 
Gloria Friedmann Selbst, 1980, Color photograph 52 x 42 cm, Edition of 3
   
Jana Sterbak, Distraction , 1992, colour photograph, 49×36 cm, Edition 15, Foto © Jana Sterbak
 
 
 Jana Sterbak, Distraction, 1995, Shirt with human hair, jacket with its shirtsleeve sewing and showcase